Vor wenigen Tagen wurde ein Fall des Amtsgerichts München veröffentlicht, der die Aufsichtspflichten für Reiseveranstalter von Pauschalreisen im Hinblick auf aufgegebene Gepäckstücke konkretisiert.
Doch worum ging es in diesem Fall überhaupt?
Ein älteres Ehepaar hatte eine Kreuzfahrt als Pauschalreise mit Bustransfer für circa €1.700 gebucht. Ausgehend vom Busbahnhof in Hamburg sollte das Pärchen inklusive Gepäck zum Schiff gebracht werden – dafür deponierten die beiden einen Koffer im Kofferraum des Transferbusses. Als sie dann am Hafen angekommen sind, war der Koffer nicht mehr auffindbar. An dem Punkt wird die Situation etwas komplizierter. Das Ehepaar hatte in dem verschwundenen Koffer nämlich nicht nur einfach zu ersetzendes Standardgepäck, sondern wichtige (blutdruck- und cholesterinsenkende) Medikamente, die täglich eingenommen werden müssen. Als einzige Möglichkeit blieb den vermeintlich Reisenden an dem Punkt nur, die Kreuzfahrt nicht anzutreten. Anschließend forderten die beiden den Reisepreis vollständig zurück, sowie einen Schadensersatz für die verlorenen bzw. verschwundenen Gegenstände in Höhe von fast €500. Der Reiseveranstalter zahlte aus anderen Gründen – wegen ersparter Aufwendungen – etwas über €215 an das Ehepaar. Weitere Ansprüche, insbesondere eine Rückzahlung des Reisepreises, lehnte der Reiseveranstalter ab. Einerseits hat überhaupt kein Reisemangel vorgelegen, da sich im Hinblick auf den Koffer nur ein allgemeines Diebstahlsrisiko verwirklicht hat. Außerdem wäre es den Eheleuten auch möglich gewesen, die Medikamente in der Handtasche zu transportieren oder das Gepäckfach zu beobachten.
Und wie sieht es nun juristisch aus?
Das Amtsgericht München hat sich – richtigerweise – nicht den Ausführungen des Reiseveranstalters angeschlossen. Sobald ein Gepäckstück beim Reiseveranstalter aufgegeben wird, bspw. wie in diesem Fall durch Verstauen eines Koffers im Gepäckraum eines Busses, geht die Verantwortung auf den Reiseveranstalter über. Die Reisenden müssen ihr Gepäckstück danach auch nicht weiter beobachten, dies würde die Verantwortung der Reisenden um ein Vielfaches überstrapazieren. Im Gegensatz dazu ist es absolut korrekt, dem Reiseveranstalter die Verantwortung für abgegebenes Gepäck zu übertragen und bei derartigen Problemen entsprechend haftbar zu machen. Schließlich ist er derjenige bzw. der Einzige, der tatsächlichen Einfluss auf den Umgang mit den zu transportierenden Gepäckstücken ausüben kann, sobald sie auf- bzw. abgegeben wurden.
Grundsätzlich ist es vollkommen richtig, dass der Reiseveranstalter einer Pauschalreise für eine Vielzahl von Situationen – neben der tatsächlichen Reise – verantwortlich ist. Das ist insbesondere bei so elementar wichtigen (Neben-)Bestandteilen des Reisepakets wie dem Transfer zum Schiff der Fall. Da ist es auch absolut folgerichtig, die Verantwortlichkeit des Reiseveranstalters auf den Transport des Gepäcks zu erstrecken. Dies bedeutet also, dass wenn Teile des Gepäcks während des Transfers verloren gehen, ein Reisemangel – neben einem Schadensersatz – bejaht werden kann. In den weit überwiegenden Fällen wird das Problem für die Betroffenen eher gering sein, sodass auch ein Minderungsbetrag wahrscheinlich eher gering ausfallen wird.
Aufgrund der besonderen Verknüpfung der überlebenswichtigen Medikamente innerhalb des abhanden gekommenen Koffers ergab sich für unser Ehepaar eine besondere Situation: Das Ehepaar trifft kein Verschulden für die Situation, da sie den Koffer ordnungsgemäß abgegeben haben. Die Medikamente hätten auch nicht bspw. in einer (körpernahen) Handtasche verstaut werden müssen, da sie darauf vertrauen durften, dass das Reisegepäck vom Reiseveranstalter gesichert und auch den Weg zum Schiff finden wird. Weiterhin war dem Ehepaar nicht zuzumuten, eine Reise anzutreten, die ihrer Gesundheit schaden könnte. Sie durften die Kreuzfahrt daher nicht antreten – selbst wenn auch dem Reiseveranstalter kein Verschulden zur Last gelegt werden könnte.
Im Ergebnis lässt sich damit das Folgende festhalten: Sofern es sich um eine Pauschalreise handelt, kann auch der Verlust von Gepäck einen Reisemangel darstellen. Wenn der Verlust von Gepäck zu extremen (vergleichbaren, gesundheitsschädigenden) Situationen für die Reisenden führt, ist auch eine Absage der Kreuzfahrt durch die Reisenden möglich – mit Rückzahlung des Reisepreises.
Das Team von CruiseLaw meint:
Das Amtsgericht München hat diesen Fall komplett richtig entschieden. Der Veranstalter einer Pauschalreise ist ab Zeitpunkt der Abgabe für das Gepäck seiner Kunden verantwortlich. Der Kunde kann seinerseits darauf vertrauen, dass der Veranstalter sich um das Gepäck kümmert, das ihm zum Transport übergeben wurde. Schließlich war es den Reisenden in der vorliegenden Sondersituation nicht zuzumuten, darauf zu vertrauen, dass sie die notwendigen Medikamente vor Ort bzw. an Bord des Schiffes erhalten können.
Bildrechte: Unbeaufsichtigtes Gepäck im Flughafen Danzig von Michał Parzuchowski